Die Takenplatten

Beim Durchstreifen der Museumsgebäude bleibe ich in der Schmiede hängen, wo auf der rechten Wand eine Sammlung von Takenplatten zu bestaunen ist. Dunkel, unscheinbar, fast vergessen hängen sie an der Wand, kaum beachtet von den Besuchern. Doch bei näherem Hinsehen entfalten sie ihren so besonderen Charme und erzählen ganz spannende Geschichten.

Da sind Bilder von Heiligen zu sehen, die ihr Leben für den Glauben hingegeben haben und bis heute verehrt und von den Gläubigen in Notlagen um Hilfe und Beistand angerufen werden. Der heilige Georg, Sankt Martin und andere scheinen auf und lassen uns teilhaben an ihrem Wirken.

Man kann geradezu in der Bibel blättern und eine Vielzahl an Szenen aus dem Alten und dem Neuen Testament erstehen lassen, von der Schöpfungsgeschichte mit dem Sündenfall und der Vertreibung aus dem Paradies über David und Goliath, den verlorenen Sohn und viele mehr bis hin zur Weihnachtsgeschichte mit der Anbetung der heiligen drei Könige.

Geschichte wird lebendig, wenn man auf Friedrich den Großen, den „Alten Fritz“, blickt, der hoch zu Ross mit erhobenem Degen vorbeireitet.

An Tugenden, die ihre Bedeutung bis heute nicht verloren haben, gemahnen Lukrezia oder Caritas, die, ihre Attribute zeigend, am Auge des Betrachters vorbeiziehen.

Und wenn man dann die Schmiede verlässt und über den Hof geht, begrüßen einen links vor dem Eingang zum Fachwerkhaus Neptun, der Gott der fließenden Gewässer und sprudelnden Quellen und auch des weiten Meeres, und eine Sirene mit der Äolsharfe in der Hand, und man meint fast, ihren betörenden Gesang, der Schiffern zum Verhängnis wurde, zu hören. Schnell huscht man ins Fachwerkhaus hinein, um weiter in der Bilderbibel zu blättern, und beim Beschauen der Platte hinter der Feuerstelle, die ein häusliches Umfeld zeigt, kann man tief ins Mittelalter eintauchen, eine Zeit ohne Gas und Strom, ohne die Annehmlichkeiten unserer heutigen modernen Welt. Und man beginnt zu verstehen, dass diese Takenplatten für die Menschen damals nicht nur Wärmespender, sondern vielleicht viel mehr noch Seelentröster in karger, dunkler Zeit waren.

Karin Roth